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Von Lage bis Italien: Neonazis der Road Crew international vernetzt

Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL veranstaltet Vortrag zu CasaPound Italia

Die Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL, die sich 2014 bis 2015 gegen die Neonazi-Immobilie im alten Bahnhof in Lage-Ehlenbruch engagierte, veranstaltet am 17. November einen Vortrag mit dem Buchautor Heiko Koch. Thema ist anlässlich neuer Erkenntnisse um internationale Netzwerke rund um die Neonazis der Road Crew OWL, die neofaschistische Bewegung CasaPound in Italien. Veranstaltungsbeginn ist um 19:00 Uhr, der Vortrag findet in der kleinen Aula des Schulzentrums Werreanger in Lage statt.

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Die Road Crew Ostwestfalen besucht schon seit mehreren Jahren CasaPound in Italien. So auch im Mai 2016, als ein Minivan mit vier Road Crew Neonazis in eine Gegendemonstration CasaPound in Rom geriet. Das Resultat: Die Autoscheiben des Vans wurden eingeschlagen und die Medien berichteten von einem Angriff auf „deutsche Touristen“. Erst ein knappes Jahr später, bei der juristischen Aufarbeitung des Vorfalls, wurde bekannt, dass es sich bei den Insassen des Vans um Neonazis der „Road Crew Ostwestfalen“ handelte. Unter den vier Personen waren auch die beiden damaligen Käufer des alten Bahnhofs in Kachtenhausen. Diese werden nun von einem bekannten Anwalt von CasaPound Italia vertreten.

Die Road Crew OWL fungiert als Sammelbecken verschiedenster Neonazis aus Ostwestfalen-Lippe. Sie vereint unter anderem überregional aktive und vernetzte Neonazi-Kader, Mitglieder von Rechtsrockbands und Organisatoren von Rechtsrock-Konzerten oder Neonazi-Demos. Aktivisten aus Parteien wie der NPD oder dem III. Weg gehören zum Unterstützerkreis. Die trans-nationalen Kontakte die zwischen der Road Crew und CasaPound gepflegt werden sind Ausdruck einer wachsenden Strömung innerhalb der Rechten Europas, die auf verschiedenen Ebenen einen Austausch und Kooperation in Theorie und Praxis anvisiert. Ein weiterer Grund die „Road Crew Ostwestfalen“ und ihre Netzwerk-Arbeit im Auge zu behalten.

„CasaPound Italia“ nennt sich eine im Jahr 2003 entstandene faschistische Bewegung in Italien. Seit 2013 verfügt CasaPound über den Parteienstatus und tritt als CasaPound Italia zu den Wahlen an. Mittlerweile verfügt die Partei über 11 Sitze in Kommunalparlamenten. Italienweit hat sie über 100 Sitze und fast 20.000 Mitglieder. Zur Praxis CasaPounds gehören neben Freizeit-, Medien-, und Musikangeboten viele sozialpolitische Kampagnen und ein breites karitatives, medizinisches und pädagogisches Angebot. Dabei geht es selektiv um italienischstämmige Menschen, denn CasaPound ist eine ultra- rassistische Bewegung. In diesem Sinne mobilisiert und demonstriert sie gegen die Aufnahme von Flüchtlingen und geht dabei äußerst militant vor. So verwundert es nicht, dass CasaPound Italia durch seine erfolgreiche Politik europaweit nicht nur den identitären Gruppen, sondern auch anderen rechten Bewegungen als Vorbild dient. CasaPound ist mit anderen rechten Gruppen international vernetzt, so auch mit deutschen Neonazis wie der Road Crew.

Der Referent Heiko Koch ist Mitbegründer und Autor diverser antifaschistischer Zeitungen, Verfasser von Internetrecherchen, Teamer und Dozent gegen Rechtsextremismus. Er schrieb das Buch „CasaPound Italia: Mussolinis Erben“, das 2013 erschien und die Bewegung CasaPound erstmals deutschsprachig darstellt, analysiert und kritisch beleuchtet.

Die »Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL« setzt sich aus Anwohnern des ehemaligen Nazitreffpunkts und engagierten Bürgern aus Lage und Umgebung zusammen. Gegründet wurde sie als »Initiative gegen Neonazis im Bahnhof Ehlenbruch«, um sich gegen die Neonazi-Immobilie im alten Bahnhof in Lage-Ehlenbruch, den Neonazis der Road Crew OWL erworben hatten, einzusetzen. Ein Engagement, das sich auszahlte: Die Neonazis der Road Crew OWL gaben ihr Clubhaus im Spätsommer 2015 auf. Doch auch nach dem Wegzug aus Lage-Kachtenhausen ist die Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL aktiv und weiterhin aufmerksam, damit sich in und um Lage kein neuer Neonazi-Treffpunkt etablieren kann.

Initiative gegen Neonazis als gutes Beispiel

– Akteure aus Lage nehmen an Tagung in Weimar teil-

Die Lagenser Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL folgte einer Einladung von »Filmfaktum« und Filmemacher Peter Ohlendorf (»Blut muss fließen«). In Weimar fand vom 13. bis 15. Oktober ein bundesweites Vernetzungstreffen von verschiedenen Bündnissen und Initiativen statt, die sich gegen Neonazis und Rassismus, für ein demokratisches Miteinander einsetzen. Die Initiative war eingeladen, einen 90-minütigen Vortrag über ihre Arbeit in Lage-Ehlenbruch zu halten. Sie wurde von Ohlendorf als ein positives Beispiel für erfolgreiches Engagement gegen extrem rechte Strukturen, vorgestellt.

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Filmemacher Peter Ohlendorf mit Initiativen Mitglied Stefan Haseloh nach dem Vortrag über die Road Crew OWL.

Etwa fünfzig Personen aus neun Bundesländern, vorwiegend aus dem ländlichen Raum, versammelten sich, um sich über ihre Arbeit auszutauschen und zu vernetzen. Daraus folgte eine Entwicklung von Perspektiven zur gemeinsamen Arbeit für eine offene und tolerante Gesellschaft, sowie gegen den aktuellen Rechtsruck. Vor Ort waren an diesem Wochenende unter anderem Initiativen, Bündnisse, Vertreterinnen von Beratungsstellen, Parteimitglieder, Journalisten und Personen aus antifaschistischen Zusammenhängen. Diese vielschichtige Zusammensetzung begünstigte einen gegenseitigen Wissens- und Ressourcenaustausch.

Initiative aus Lage stellt Gegenstrategien vor

In ihrem Vortrag erläuterten Mitglieder der Initiative, darunter Stefan Haseloh, Möglichkeiten des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Neonazi-Immobilien und Gruppierungen, sowie auch die erfolgreiche Zusammenarbeit in einer Bürgerinitiative. Nach einer kurzen Einleitung des Veranstalters Peter Ohlendorf stellte die Initiative zuerst die Road Crew vor, insbesondere ihre Verstrickung in verschiedene extrem rechte Zusammenhänge und die Gefahr die sie und ähnliche neonazistische Gruppen vor Ort, aber auch für die Gesellschaft im Allgemeinen darstellen. Anschließend lieferten die Initiativen-Mitglieder einen Input, in dem sie verschiedene Strategien und Ansatzpunkte für die Offenlegung und Bekämpfung einer Neonazi-Immobilie vorstellten. Lückenlose Öffentlichkeitsarbeit, enge Kontakte zu Anwohnern und eine Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit von Neonazi-Veranstaltungen sind nur einige Beispiele.

Die »Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL«, gründete sich nach dem Kauf des alten Bahnhofsgebäudes in Lage-Ehlenbruch durch die »Road Crew OWL«, eine lokale Gruppe von Neonazis. Diese sind verschiedenen Spektren wie zum Beispiel der Rechtsrock-, Rocker-, Hooligan- oder Türsteherszene zuzuordnen, besitzen aber auch Kontakte in die Parteien der extremen Rechten. Nicht ganz ein Jahr nach der Gründung der Bürgeriniative gegen die Neonazis gaben diese ihre Immobilie aufgrund des öffentlichen Drucks auf. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Bürgern aus der Region und Anwohnern des ehemaligen Nazi-Treffpunkts.

Für den Vortrag erntete die Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL in Weimar Applaus und positive Rückmeldungen: »Wir konnten viele neue Impulse und Tipps aus dem Vortrag gewinnen, denn auch bei uns in der Gegend etabliert sich gerade ein Nazi-Haus«, lobte eine Teilnehmerin aus Sachsen.

Nicht nur »dagegen«, sondern auch »für etwas«

In einem Vortrag von Soziologe Helge Meves aus Königs Wusterhausen wurden die Ergebnisse der Bundestagswahl, insbesondere im Hinblick auf die AfD genauer beleuchtet. In der anschließenden Diskussion ging es darum, Gegenstrategien gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck zu entwickeln und nach Möglichkeiten zu suchen, Rechtspopulisten wie der AfD die Bühne zu nehmen.

In einem Podiumsgespräch berichteten Akteurinnen und Akteure verschiedener Bündnisse und Initiativen aus Süddeutschland über ihr politisches Engagement. Dabei kamen viele Gemeinsamkeiten, aber auch regionale Unterschiede in Gesellschaft, rechten Strukturen und Kooperationsbereitschaft von Parteien oder öffentlichen Stellen zutage.

Einen weiteren Input lieferte der Journalist Stephan Fischer der sozialistischen Tageszeitung »neues deutschland«. Er analysierte den Aufstieg der AfD aus journalistischer Perspektive und übte Kritik an der fehlenden Selbstreflektierung der Medienwelt – beispielsweise in Bezug auf Meinung suggerierende Formulierungen wie »Flüchtlingsflut«. Er übte auch Kritik an der aufgebauschten Berichterstattung über die AfD.

Bildungspolitische Strategien zur Bekämpfung von rechten Tendenzen stellte die Antifaschistische Bildungsinitiative e.V. aus Friedberg (Hessen) vor. Man müsse Jugendlichen Freiräume und Projekte zum politischen Engagement einrichten, um die sogenannte »Politikverdrossenheit der Jugend« zu überwinden. Diese Strategie würde von der Politik und Behörden nicht genug aufgegriffen.

Zum Abschluss wurden die Rechtsrock-Konzerte, die diesen Sommer im thüringischen Themar stattfanden noch einmal aufgegriffen. Zu dem Konzert reisten auch Neonazis der Road Crew OWL an. In einem Vortrag wurde dargestellt, was passieren kann, wenn nicht früh genug Gegenstrategien gegen rassistische und neonazistische Umtriebe geschaffen werden.

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Gedenkstätte Buchenwald

Auch in der abschließenden Führung durch die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zeigte sich, dass Neonazis auch an solchen Orten immer mehr Selbstbewusstsein gewinnen – sie missbrauchen Orte wie die Gedenkstätte für ihre Zwecke, zum Beispiel mit Fotos, Schmierereien und Provokationen, berichtete ein Museumsmitarbeiter. Daher sei es aktuell umso wichtiger, Neonazis und rechten Strömungen keine Räume zu lassen. Dafür setzt sich auch die Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL weiterhin ein: Sie beobachtet weiter, was um die Road Crew herum passiert und ist bereit zu handeln, damit nicht nochmal eine Neonazi-Immobilie in Lage oder der Umgebung entstehen kann.

Die Initiative im Interview

In diesen Tagen erscheint die 50 Seiten starke Broschüre „Hingeschaut! Die extreme Rechte und zivilgesellschaftliche Aktivitäten gegen Rechts in Ostwestfalen-Lippe“ der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold“.

Auf den Seiten 34/35 findet sich ein Interview mit Luisa W. und Michael Sieberts, dem Sprecher der „Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL“.

Erhältlich ist die Broschüre über die Mobile Beratung, sowie über die Initiative – hierzu schreiben Sie uns bitte eine E-Mail [info AT initiative-gegen-rc-owl DOT de].

Der Ehlenbrucher Bahnhof heute

Seit mehr als einem Jahr ist nun die Road Crew aus Lage-Ehlenbruch verschwunden. Im ehemaligen Clubhaus sind inzwischen die „Eisenbahnfreunde Lippe“ eingezogen (LZ Artikel). Des Weiteren finden sich nun Unterkünfte für geflüchtete Menschen auf dem Gelände (LZ Artikel).

Die Road Crew und Einzelpersonen aus selbigen Umfeld sind weiter regional und überregional aktiv und die „Initiative gegen Neonazis der Road Crew OWL“ hat sie dabei im Blick. Regelmäßig finden Initiativen-Treffen und ein stetiger Austausch untereinander statt.

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Das ehemalige Clubhaus der „Road Crew OWL“ im Juni 2016.

Verkauf des Clubhauses + Letzte Aktivitäten

Update – Verkauf des Clubhauses
Es kam plötzlich, aber dennoch nicht völlig überraschend:
Mitte August 2015 titelte die Lippische Landeszeitung „Stadt kauft ´Road Crew´-Clubhaus–Rechtsextreme verlassen das Bahnhofsgebäude in Ehlenbruch“. Damit hat der braune Spuk um dem alten Bahnhof Ehlenbruch Anfang September ´15
nach rund eineinhalb Jahren ein Ende genommen. Durch die regelmäßige Berichterstattung der Medien, sowie die Öffentlichkeitsarbeit und Recherche der „Initiative gegen Neonazis im Bahnhof Ehlenbruch“ wurde Druck auf die „Road Crew“
aufgebaut und aufrecht erhalten – das passte den Neonazis im Bahnhof ganz und gar nicht. Genau dieser öffentliche Druck führte dazu, dass die „Road Crew“ den Bahnhof nicht mehr ungestört nutzen konnte. Die Besitzer Jan W. (Oerlinghausen-Helpup) und Andreas G. (Bad Salzuflen)  signalisierten daraufhin, an einem Verkauf interessiert zu sein. Die Stadtverwaltung Lage zeigte sofortiges Interesse. Profit durch  den Verkauf sollen die Neonazis nicht gemacht haben. Es soll der gleiche Kaufpreis gezahlt worden sein, wie die Neonazis bereits an die Vorbesitzer (Motorrad-Club „Freeway Riders OWL“) gezahlt hatten. Diese Entwicklung bestätigt die Annahme, dass die Neonazis der „Road Crew OWL“ ihren Treffpunkt von der Öffentlichkeit unbehelligt betreiben wollten.

Update – Letzte Aktivitäten
Regelmäßige Treffen &  Abschiedsfeier am Bahnhof

Das Treiben im und um dem Bahnhof, sowie Aktivitäten
einzelner Personen der letzten Monate:

– (ehem.) Bahnhof-Inhaber Andreas G. (Bad Salzuflen) und Jan W. (Oerlinghausen) posierten neben weiteren Neonazis aus OWL auf einem Foto vor dem „Casapound“, dem Sitz der neofaschistischen Partei in Italien, Rom (Juni 2015)
– regelmäßige Treffen im RC-Clubhaus von Neonazis aus OWL
– Häufiger Nutzer des  RC-Clubhaus Peter H. (Leopoldshöhe), bundesweit aktiver Neonazi-Kader, nimmt an diversen Aufmärschen der  extremen Rechten teil. Als „Der III. Weg“-Aktivist und Mitorganisator des geschichtsrevisionistischen „Gedenkmarsches“ in Bad Nenndorf Referent bei einer Informationsveranstaltung zum Neonazi-Aufmarsch.
– Des Weiteren Organisation eines Informationsstands beim „Eichsfeldtag“ der NPD in Thüringen. Ebenfalls anwesend war Sven K. (Bad Salzuflen). Sven K. wurde im November 2014 beim Auskundschaften von „Road Crew“-Gegnern überführt und einer Infoveranstaltung verwiesen.
– Zweimalige „Road Crew“ Erwähnung in der Jahresbilanz 2014 „Politisch motivierte Kriminalität“ des Polizeipräsidium Bielefeld
– „Road Crew zeigt sich martialisch“, Bericht der Lippischen Landeszeitung über Fotoshooting mit vermummten, drohenden „bekannten Größen der regionalen rechten Szene in OWL und […] Niedersachsen“
– große Abschiedsfeier am 22. August 2015 mit ca. 80 Personen aus OWL, Niedersachsen, Ruhrgebiet, Rheinland und Oberösterreich
– mehrtägige Aufräum- und Auszugs-Aktionen
– Freitag, 28. August 2015: „Die Road Crew OWL“ verlässt
Lage-Kachtenhausen